Die Bundeswehr hat ein neues Feld für Nachwuchsrekrutierung entdeckt und mit drei Bundesligisten perfekte Partner gefunden. Widerstand dagegen findet noch nicht statt.
Seit der Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht ist die Bundeswehr massiver und aggressiver bemüht, sich als normale Arbeitgeberin zu präsentieren. Sie verstärkt die Bemühungen in der Zielgruppe der Heranwachsenden und Jugendlichen Soldaten und Soldatinnen zu werben. Auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Ulla Jelpke vom Januar 2010 räumte die Bundesregierung ein, dass die Bundeswehr mit 27 Sportvereinen Kooperationen zur Personalwerbung abgeschlossen habe, die von Testspielen, bis zu Bandenwerbung reiche. Inzwischen dürfte die Militarisierung des Sportlichen einige Vereine mehr betreffen. Neben dem Versuch, an Schulen Fuß zu fassen und prominent Adventure-Camps zu veranstalten (die und deren Werbeschaltungen in Jugendzeitungen zuletzt heftig in der Kritik standen), eröffnet sich die Bundeswehr mit den Sportvereinen eine neue und bisher kaum beachtete Werbelinie. Prominentes Ziel sind dabei Vereine der Männer-Fußballbundesligen. Zwar erweisen sich viele der Bundesligisten aus Imagegründen weitgehend ablehnend gegen entsprechende Versuche der Vereinnahmung, aber es gibt Ausnahmen, die die Bundeswehr gern als Pilotversuch nutzt.
Gemeint sind Hannover 96, der Hamburger Sportverein und der Zweitligist Hertha BSC. Fangen wir bei Hannover 96 mit dem Präsidenten und Hörgerätehesteller Martin Kind an seiner Spitze an.
Schon seit Jahren fällt Martin Kind durch besonders militärfreundliche Gesten auf. So finden seit Jahren die Neujahrsempfänge der 1.Panzerdivision in der AWD-Arena (dem Fußballstadion Hannovers) statt und wirbt die Bundeswehr für sich und den freiwilligen Wehrdienst mit ganzseitigen Anzeigen im (allerdings wenig zielgruppenrelevanten) Stadionmagazin. Im März 2011 verteilte Martin Kind am Rande eines Spieles gegen Mönchengladbach gelbe Schleifen – dem von bundeswehraffinen Gruppen herausgegebenen Symbol für Solidarität mit der „Truppe im Fronteinsatz“. Kind maßte sich an, in diesem Zusammenhang für alle Fans von Hannover 96 die Unterstützung für Kriegseinsätze auszusprechen- Er nannte dies: „für ein friedliches Miteinander“ werben.
Die Ursache dieses staatstragenden Verhaltens lässt sich am Einfachsten mit dem Versuch des nahezu allein herrschenden Präsidenten Martin Kind erklären. Er möchte Männer-Fußball aus dem (scheinbaren) Schmuddelimage in die Mitte der Gesellschaft befördern. Bei so viel Entgegenkommen sagt die Bundeswehr natürlich gern Danke. Über den Vermarkter von Hannover 96 Sportfive schaltet die Bundeswehr seit Beginn der Saison zunächst in der Pause während der Fußballspiele massiv Werbung auf LED-Leucht-Werbetafeln; auf der zentralen Anzeigetafel zeigt sie martialische Werbespots. Als es darauf kaum Widerspruch gab, ging sie noch einen Schritt weiter: Die Werbung ist jetzt auch während des Spiels zu sehen, nicht nur in den nationalen Wettbewerben, sondern auch bei europäischen Spielen, so geschehen gegen die polnische Mannschaft Slask Wroclaw. Außerdem ist die Bundeswehr seit Sommer 2012 nun „official Supplier“ der 96er. Damit setzt die Vereinsführung konsequent ihren militärfreundlichen Weg fort. Ähnlich agiert der Hamburger Sportverein. Ebenso wie die vorgestellten anderen Vereine von Sportfive mit potentiellen Sponsoren versorgt, darf die Bundeswehr sich „Supplier“ nennen, von Widerspruch dagegen ist wenig zu hören.
Gehen Hannover und Hamburg den Weg gemeinsam mit der Bundeswehr eher schleichend und leise, hat es die Bundeswehr in Berlin noch leichter. Hertha BSC, das an einem historisch schwer belasteten Ort, dem Berliner Olympiastadion, spielt, wirft sich seit Sommer 2011 förmlich an die Bundeswehrbrust. Euphorisch werden die gemeinsame Partnerschaft gefeiert und Freikarten an Soldaten verteilt, war die Bundeswehr gar „Sponsor of the day“, was ihr zusätzliche Aufmerksamkeit bescherte. In der Partnererklärung heißt es: „Die Bundeswehr und Fußball – und speziell das Team von Hertha BSC das passt in sehr vielen Bereichen mehr als gut zusammen. Tradition, Zusammenhalt, Teamgeist, Durchsetzungsstärke und Fairness verbinden uns in allen Bereichen und auf unterschiedlichen Ebenen.“ Laut TAZ vom 20.07.2012 sponsert die Bundeswehr nicht nur Hertha sondern auch den Lokal Rivalen Union Berlin. 2012 kaufte die Bundeswehr für 31.000 Euro Bandenwerbung beim FC Union und für 127.000 Euro bei Hertha.
Allerdings scheint mit dem Abstieg des Berliner Nobelclubs Hertha auch das Interesse an der Partnerschaft erloschen zu sein, still und leise verschwand die Partner-Werbung von der Homepage. Dafür unterstützt die Bundeswehr jetzt als Förderer den Berliner-Fußball-Verband.
Klar ist: Die Bundeswehr will die hohe Popularität des Männer-Fußballs ausnutzen. Gezielt wirbt das Militär bei Jugendlichen mit gemeinschaftlichem Erleben und Emotionen. Hauptziel der Kampagne dürfte aber eher sein, dass Image der Bundeswehr aufzubessern und sich als ganz normale Arbeitgeberin und Werberin zu präsentieren. Sicher wird mit der gezielten Bandenwerbung noch nicht das Ende der Bundeswehr-Werbemaßnahmen im Männer-Fußball zu erwarten sein. Kommt kein ausreichender Widerspruch werden sicher bald Infostände oder andere Merchandising-Aktionen, auch bei anderen Vereinen folgen.
Von Seiten der Fans kommt bisher wenig bis gar kein Protest. Allenfalls in Internetforen wird Unbehagen ausgedrückt. Zumindest für Hannover dürfte eine Ursache die momentan stattfindenden Zerschlagung der organisierten Fanszene sein. Schwerer wiegt jedoch die zunehmende Entpolitisierung der Fankurven. Hinzu kommt sicher dass die Friedensbewegung wenig bis gar nicht in Fankulturen verankert ist.
Wenn den aktuellen Versuchen nichts entgegengesetzt wird, wird es schwer werden, das Militär wieder aus den Stadien zu verdrängen. Dort hat es aber nichts zu suchen – genauso wenig wie an Schulen.
erschienen in Zivilcourage 01/2013